MUT

Mut ist eine ebenso transformierende wie auch seltene Eigenschaft.

– Mut etwas zu wagen, mich zu trauen, beherzt etwas zu tun, womit ich bisher kaum wirkliche Erfahrungen habe –  

Es geht mir hier um den Mut etwas so zu tun oder zu lassen, wie es für mich gut ist. Es geht mir um den Mut zur Erweiterung, zur Öffnung zu Neuem, zur Öffnung des Gewohnten.

Mein Denken sagt mir zum Beispiel, schreib auf, was du erlebst, teile es mit anderen Menschen. Du liebst konstruktive Auseinandersetzung, teile dich mit, damit andere die Möglichkeit haben, mit dir in die Auseinandersetzung gehen zu können. Es folgt ein Kribbeln, freudiges Herzklopfen, ein lautes inneres JA … aber es geht nicht; es kommt nicht zur Handlung. Ich sitze vor meinem Rechner mit der schönen Idee, schreibe die ersten Worte und schon kommt: „Das ist doch banal, was du da schreibst! Das versteht doch niemand!“ und ganz schlimm: „Du wirst dich blamieren! Du kannst für dich wunderbar schreiben, weil du deine Geschichten kennst, weil wenn du sie wieder liest, deine „Bilder“ aufsteigen, du dich erinnerst. Aber für andere schreiben? Du bist so kompliziert und unverständlich und viel zu komplex. Du versuchst zu viel in eine Beschreibung zu packen. Du wirst dich wirklich blamieren, weil dich einfach niemand versteht! Sie werden über dich lachen, du wirst dich verletzen. …“.

Eigentlich bin ich alt und erfahren genug, um mich zu zeigen, um mich zu präsentieren. Ich weiß von mir, kenne mich und bin mit mir und dem, was ich in meinem Leben geschafft habe und wie ich es geschafft habe zufrieden. Auch habe ich genug Selbstvertrauen mit Ablehnung und Zurückweisungen gesund umzugehen. Eine Blamage tut auch mir trotzdem weh. Es könnte sein, dass Menschen, mit denen ich in Kontakt kommen will, sich abwenden und ich damit nicht erfolgreich bin. Es könnte sein, … Noch ist es nicht und ich weiß noch nicht wirklich, was passiert. Nur dieser eine unangenehme Gedanke lässt mich mein Schreiben unterbrechen und mein Zweifel beginnt wieder mit meinem Blamierglaubenssatz.

Mut

Umschalten vom negativen, vermeidenden und meinen eigenen Fluss unterbrechenden Glaubenssatz zum positiven, aktivierenden, optimistischen, beweglichen und fließenden Glaubenssatz:

Es macht dir Freude zu schreiben. Es macht dir Freude, dich zu zeigen. Du liebst die Kontroversen. Ja, es ist auch anstrengend. Wenn du deine Geschichten, Gedanken, deine Erlebnisse und Erfahrungen mit anderen teilst, wirst du dem ganz normalen Leben begegnen, immer wieder neu, immer wieder anders. Und genau das willst du. Tu es beherzt.

Toller Vorsatz. Wie lange wird er anhalten? Genau bis zu einer nächsten Situation, wo irgendein Impuls von außen meinen inneren Zweifler anspricht und er versuchen wird, meine wunderbaren Glaubenssätze wegzustoßen. Und: Aua, das tut weh!

Ich habe in ein bewusstes Merken, in die Reflexion, in die Entscheidung, in das Umschalten und mehr … investiert und jetzt fühle ich mich schon wieder verletzt.

Brené Brown, eine Scham- und Empathie Forscherin an der University of Houston, schreibt: «Erzählen Sie mir von einer mutigen Handlung oder Entscheidung, die Sie miterlebt oder initiiert haben, die nicht ein hohes Maß an Risiko, Unsicherheit und emotionaler Bloßstellung mit sich führte. Gibt es nicht. Es gibt keinen Mut ohne Verletzlichkeit.»

Mut und Verletzlichkeit gehören zusammen. Sie sind wie ein Paar, was sich ergänzt. Wenn ich mutig bin, sind das Situationen der Aufregung, der Unsicherheit, in denen ich mitunter auch Angst spüre. Und in denen mein Kopf mir sagt „Tu es, sag es, geh, …“. Es sind Situationen, in denen ich noch nicht wirklich weiß, wie das Ergebnis sein wird. Ich habe eine Idee von diesem Ergebnis. Noch ist sie ein Wunsch, ein Traum, eine Vorstellung. Sie ist noch nicht in Interaktion mit der Realität, dem Außen, der Wirklichkeit gekommen, noch spukt sie in meinem Kopf, in meinem Denken.

Wenn ich jetzt hier schreibe, tue ich das mit Zuversicht. Ich tue es erst einmal nur für mich. Ich überwinde meine Zweifel, meine Vorsicht, meine Angst vor Kritik, vor Unvollkommenheit und vor Fehlern. Ja, ich habe Zweifel, dass das irgendjemanden interessiert. Ja, ich bin vorsichtig mit meinen Worten. Ja, ich habe Angst vor verletzender Kritik, vor dem, was ich auslasse und nicht schreibe und vor Fehlern, die ich nicht in meinem Aufmerksamkeitsfeld habe.

Und doch ist meine Zuversicht größer und stärker. Die Zuversicht, die mir guttut, die mich voranbringt, die mich üben lässt, die mir ein gutes Ergebnis bringen wird.

Dieses Abwägen nenne ich Selbstfürsorge. Für mich sorgen. Ich will Wege finden, um mit mir und mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Schreiben ist für mich schon lange ein Mittel, um mich zu sortieren, über Themen und Situationen strukturiert nachzudenken, sie mir bewusst zu machen. Wenn ich über dieses Mittel mit mir in Kontakt komme, warum soll es dann nicht auch mit anderen Menschen funktionieren? Ganz bestimmt nicht mit allen und vielleicht auch nicht mit vielen. Für mich ist es schon ein Erfolg, wenn es ein paar sind.

Meine Zuversicht ist größer als meine Angst vor Verletzung und somit schreibe ich und gewinne Handlungsfreiheit. Und es tut mir gut mutig zu sein.

Mut ist für mich eine Kombination aus Intuition, Wissen und Optimismus.

Wo wolltest du oder auch willst du schon immer mutig sein?