AUTHENTIZITÄT
Das Streben nach Echtheit – Authentisch sein oder nur so ankommen wollen

Authentisch sein oder authentisch rüberkommen wollen? Das sind zwei völlig verschiedene Wege.

Wer authentisch sein oder rüberkommen will, kann beides üben und trainieren. Ähnlich wie im Theater kann der Schauspieler eine Rolle üben und trainieren. Ein Schauspieler und auch ein Heiratsschwindler können ihre Rollen authentisch spielen. Zwischen Beiden gibt es einen grundlegenden Unterschied: Der Schauspieler richtet seine Aufmerksamkeit nach innen, zu sich selbst. Er geht mit sich in die Rolle. Er geht in ein Einfühlen. Er sucht und findet bei sich Anteile, mit denen er die Rolle ausfüllen kann. Der Heiratsschwindler schaut erst einmal nach außen. Er checkt sein Gegenüber ab und schaut, wie er diesen so beeinflussen kann, damit er selbst zu seinem Ziel, seinen Gegenüber zu benutzen und zu manipulieren kommt. Sein Gegenüber ist ihm nicht wirklich wichtig. Nur insofern, dass er aus diesem für sich den größtmöglichen Gewinn generieren kann. Beim Schauspieler geht es um Authentizität (Mensch/ Subjekt), beim Heiratsschwindler um Gewinnmaximierung (Objekt).

Auch auf Unternehmensebene ist es möglich, ein Drehbuch getreues LiveSpiel authentisch zu spielen. Eine Lüge kann echt und glaubwürdig in die Welt getragen werden und mensch kann diese Lüge authentisch vertreten. Authentisch rüberkommen wollen, eine Rolle spielen ist auf Dauer anstrengend. Ein Schauspieler kehrt nach seinem Auftritt zu sich selbst wieder zurück. Ein Heiratsschwindler muss mit viel Energie an sich selbst und an seiner Rolle festhalten, sonst verliert er seinen Gewinn. Er muss in mindestens zwei Welten leben. Das stelle ich mir sehr stressig vor; immer auf der Hut zu sein und authentisch, glaubwürdig rüberkommen zu müssen. Es ist ein Zwang, kontrollierend und berechnend.

Eine gespielte, authentisch wirkende Rolle kann beeinDRUCKen. So wie das Verb es zum Ausdruck bringt, steckt Druck und Anstrengung hinter der Rolle. Wenn ich beeindrucken will, benötigt mein Kopf und Körper viele „Berechnungsvorgänge“, die viel Energie benötigen. Diese Energie kann nicht mehr für andere Lebensbereiche zur Verfügung stehen. Dieses Rollenspiel mit Druck kann immer noch viel zu häufig im Arbeitsleben beobachtet werden. Ein sich authentisch (echt, glaubwürdig, integer, …) zurechtbiegen ist immer wieder ein stressiger, sich selbst und andere kontrollierender Vorgang, der einem gesunden Umgang mit sich selbst zuwiderläuft.

Im Unterschied dazu …

Eine Person, die sich selbst und bewusst für Authentizität entschieden hat, wird immer wieder neu überraschen. Wenn ich mich für das „Selbst-Sein“ entscheide und meine Motive, Werte und Ziele in jeder kleinen Situation bewusst habe und auch vor möglichen Konsequenzen (mitunter auch unangenehmen) nicht zurückschrecke, liegt mein zu investierender Energielevel niedriger. Ich kann leichter agieren und interagieren. Ich habe mehr Energie (und weniger Stress) in meinem Lebensalltag.

Mein Handeln als Person, die sich für Authentizität entschieden hat, wird durch äußere Einflüsse auch beeinflusst, aber nicht bestimmt. Ich werde äußere Einflüsse immer wieder neu mit meinen eigenen Werten, Motiven und Zielen in der konkreten Situation bewusst abgleichen, nach Möglichkeiten forschen und das Machbare in der jeweiligen Situation finden. Das funktioniert nicht im sogenannten Autopiloten, wo gewohnheitsmäßig entsprechend der eigenen Prägung und der eigenen Komfortzone agiert und reagiert wird. Als Person, die authentisch und selbstwirksam leben will, muss und will ich mir meiner bisherigen und derzeitigen äußeren Einflüsse und Beeinflussungen bewusst sein und sie wiedererkennen. Das funktioniert nur über die bewusste Wahrnehmung der eigenen Sinnes- und Körperreaktionen. Das kann erst einmal aufwendig erscheinen; immer wieder zu stoppen, nachzuspüren, einzuordnen, mit den eigenen Zielen, Werten, … abzugleichen, Ideen des Umgangs filtern und sich dann letztendlich für eine Handlung entscheiden und sie mutig tun. Ich benötige schon eine Portion SelbstHumor, eine Portion FehlerFreude, Optimismus, Experimentierfreude, Mut und einen gesunden Umgang mit Widerständen und Abwehrreaktionen.

Was ich behalte ist meine eigene Entscheidung und Verantwortung und meinen SelbstWert und dadurch Klarheit, Stabilität und Selbstvertrauen, was eine Strahlwirkung nach außen bewirkt.

Authentizität und Achtsamkeit gehören für mich wie ein Paar Schuhe zusammen.

Ein linker und ein rechter Schuh, die zusammengehören, gut passen und mich sicher durch alle möglichen Bodenbeschaffenheiten begleiten. Mal sind es Gummistiefel, mal Flip-Flop’s und auch Barfuß-Schuhe dürfen es sein, auch Highheels und Boots, Bergwanderschuhe und andere. So verschieden die realen Wirklichkeiten sind, achtsam mit ihnen in Kontakt sein und mich für ein authentisches Handeln zu entscheiden, heißt für mich, der Realität ins Auge zu blicken und mir selbst treu zu sein.

Authentisch leben und handeln ist für mich wie mit beiden Füßen sicher auf dem Boden der Wirklichkeit stehen. Es bedeutet, die innere und die äußere Wirklichkeit wahrnehmen, sie so wie sie ist annehmen, mit meinen Zielen, Werten und Motiven abgleichen und eigene Entscheidungen treffen. Entscheidungen aus mir selbst heraus, bei denen mich meine innere Haltung, mir selbst treu zu sein leitet.

Authentizität baut sich auf vier Grundwerten auf:
  • Ehrlichkeit; mir selbst, den Beteiligten, der Situation und dem Machbaren gegenüber
  • Bewusstsein; im Fühlen, Denken, Reden und Handeln
  • Konsequenz; logische Folgerichtigkeit
  • Aufrichtigkeit; auch Unangenehmes, zum Beispiel Fehler, offenbaren können

Wenn ich mich verstelle, bin ich mir selbst und meinem Gegenüber unehrlich. Wenn ich mich anpasse, entgegen meiner Werte, Motive und Ziele, handle ich opportunistisch. Und wenn ich für alles offen bin, verrate ich mich selbst.

Wenn ich so bin, wie ich bin und sein will, bin ich ein Original mit all seinen Ecken und Kanten. Ich bin klar, stabil und mit meinem Selbst-Vertrauen kann ich mutig und optimistisch leben.

»Eine authentische Person wird als „echt“ und „integer“ wahrgenommen. Sie vermittelt dadurch Klarheit, Stabilität und Selbstvertrauen, kann aber auch aus Sicht einer Führung, welche andere Werte vertritt, als störend und unnachgiebig gelten.«

Was ist bei dir gerade mehr?
  • Ich will mich anpassen. Ich bin abhängig von … und kann nichts verändern.
  • Ich bin unfehlbar. Für mich muss es perfekt sein.
  • Ich weiß, was ich will und was ich kann. Ich weiß, dass kein Moment dem anderen gleicht, dass es immer wieder anders ist und ich mich immer wieder neu entscheiden kann und will.